Weihnachtsgedanken 2022 - 25 Stunden

Sappralot, schon wieder ist ein Jahr vorbei. Da ich letztes Jahr nicht die Muse und vielleicht auch die Kraft nicht aufbringen wollte, hier was zu schreiben, kommt es dieses Jahr umso geballter. Apropos geballt - so lässt sich dieses Jahr ebenfalls beschreiben. Durch die Coronalockerungen kamen viele Events und Termine aus den alten Jahren geballt mit den aktuellen Ereignissen zusammen und ließen einen wahrlich in der Flut an Ereignissen untergehen. Ich kann nur für mich sprechen, aber es war wie ein Kaltstart, von 10% Motorleistung auf plötzlich geforderte 150%. Die Angst, etwas zu verpassen, war riesig. Man musste überall dabei sein. Keiner sagte, dass es eigentlich allen gerade zu viel wäre, sondern jeder schwamm auf der Welle der Ereignisdichte mit. Auch ich stürzte mich in das Getümmel der aufblühenden Euphorie. So viele alkoholische Exzesse wie in diesem Jahr gab es bei mir noch nie - die Frage ist, ob es an der Dichte der Trinkmöglichkeiten lag oder daran, dass man sich einfach fallen lassen wollte, um alles außen rum für einen Moment zu vergessen? Ich lass das mal so im Raum stehen. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem.  

Jetzt neigt sich das Jahr dem Ende zu, es ist endlich die ruhige, stille Weihnachtszeit vor der Haustür. Zeit, mit einem kritischen Blick das Jahr Revue passieren zu lassen. Bei mir begann es mit einem beruflichen Neustart und ich bin nach wie vor positiv überrascht, wie viele, schöne Momente ich in diesem Jahr in der Firma bzw. in meinem Tätigkeitsfeld erleben durfte. Nichts desto trotz waren viele Aufgaben für mich neu, daher hieß es lernen, lernen, lernen. Ebenfalls machte die Firmengröße manche Schritte nicht einfach, aber ich stellte mich den Herausforderungen und gemeinsam mit dem Team ließ sich wirklich viel bewegen. So viel positives Feedback, wie ich bisher hier bekam, bekam ich gefühlt die letzten 17 Jahre meines Berufslebens nicht. Ob durch Kolleg/innen oder durch Freund/innen in der digitalen Community - das macht wirklich Spaß und ich bin rückblickend wirklich den Tränen nah, da ich "nur" ein herzliches Dankeschön dafür zurück geben kann. Gleichzeitig baute ich meinen Heimatkanal hopfenland_hallertau auf Instagram aus, versuchte mit dem Brauerei-Team die Eventdichte zu meistern und die Standort-Suche zu unterstützen, versuchte meine Tätigkeit im Gemeinderat voranzutreiben, machte den ein oder anderen Job mit meinem Gewerbe, kümmerte mich um unseren gemeinsamen Hund und ach ja . . . da gab es ja auch noch eine Beziehung. Ich schrieb das bewusst ans Ende meiner Aufzählung, da ich definitv eine fehlerhafte Priorisierung machte. Die berechtigten Fragen, die ich immer mal wieder hörte: "Wann machst du denn das alles?", "Hat dein Tag denn 25 Stunden?", "Wie bekommst du das alles unter einen Hut?", waren berechtigt.


Naja, irgendwie funktionierte es, aber ohne konkreten Fokus auf eine Sache. Viele offene Baustellen und man hätte an vielen Stellen gerne mehr gemacht, allerdings ging neben der Zeit dann auch mit der Zeit die Kraft langsam aus. Sowieso ein Wunder, wie das so lange funktionieren konnte, ohne dass ich mal über eine der Hürden stolperte, die ich mir mit der Zeit auf meine Laufbahn stellte. Es gab natürlich verschiedene Warnschüsse, die ich auf Grund der vielen Dinge nicht beachten wollte und konnte. Als Anfang des Monats ein Schlüsselerlebnis war, entschied ich mich dafür, dass es nichts hilft, nur an mentalen Stellschrauben zu drehen, sondern einen kompletten Motorwechsel durchzuführen. Ich gab den Alkohol auf, der die letzten 17 Jahre einen sehr hohen Stellenwert hatte - ob während meiner Ausbildung im SHK Bereich, meinem Nebenjob als Cocktailmixer, meiner Zeit bei der Marine, meiner Ausbildung im Hotelgewerbe, meiner Zeit auf dem Schiff, meiner Tätigkeit für die Brauerei, . . . etc. - gesoffen wurde immer bis zum Limit und manchmal auch darüber hinaus. Nüchtern schaut die Welt gleich ganz anders aus. Ich muss hier auch keinen großen Willen aufbringen, nichts zu trinken, sondern gilt es eher als befreiende Entscheidung, sich von nun auf die eigene, mentale Stärke zu verlassen.


In mir kreiste immer das Sprichwort: "Leben ist wie ein Theaterstück. Es kommt nicht darauf an, wie lange gespielt wird, viel mehr kommt es auf den Inhalt an!" (Lucius Annaeus Seneca) - Daher versuchte ich mein persönliches Theaterstück mit möglichst vielen Inhalten zu füllen, die Qualität der Inhalte war in Teilen zweitrangig. Nichts verpassen, keine Schwäche zeigen, überall dabei sein. Gleichzeitig dachte ich aber immer an das Sprichwort: "Nimm alle Dinge wichtig, aber keine völlig ernst" (Albert Einstein) Auf Grund der Tätigkeitsdichte war es schwer, alle Dinge wichtig zu nehmen. Stets das schlechte Gewissen im Nacken. Sich um Sachen noch nicht so gekümmert zu haben, wie man hätte sollen oder wollen führte zudem dazu, dass es über die letzten Jahre nur wenigen Situationen gab, in denen ich wirklich zu 100% da war, wo ich physisch war. Gefangen im Hamsterrad des Alltags, im Pendel der Zeit, im Karussell des Lebens. Nun gilt es, das Karussell zum Stehen zu bringen. 


Neben dem, dass ich nichts mehr trinke, werde ich meine Tätigkeiten in der Wolnzacher Brauerei aufgeben. Natürlich werde ich mich auch weiterhin für den Erhalt der Wolnzacher Braukultur und der Brauerei einsetzen, aber eben nicht mehr als Mitarbeiter dieser. Wer mich kennt weiß, wie viel Zeit und Leidenschaft ich hier reingesteckt habe. Ich werde mich wohl anders aufstellen. Mit dem ein oder anderen Schritt, den ich machte und in naher Zukunft machen werde, werde ich mein mentales wie auch physisches Schiff in andere, neue Fahrwasser bugsieren, die mit Sicherheit nicht weniger abenteuerreich sein werden. Jede Krise birgt die Chance, für einen Neuanfang. Passend zum Weihnachtsfest, bei dem der Neuanfang einer Ära gefeiert wird, beginnt auch bei mir ein neues Kapitel, auf welches ich mich wirklich freue. Lässt man sich auf das Leben ein, so gibt einem das Leben auch etwas zurück. Irgendwo aus dem Nichts kommen Momente, mit denen man nie gerechnet hätte. Die ohne Umwege den direkten Weg ins Herz wählen. Zeichen einer höheren Energie? Oder doch nur alles Zufall? Wie es auch kommt, manchmal ist man eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort.


Nur weil ein Gewächshaus eingebrochen ist, heißt es nicht, das darin keine Blumen mehr wachsen. Ich wünsche euch allen ein frohes Weihnachtsfest mit einer Erkenntnismischung aus Achtsamkeit und Dankbarkeit. Achtsam für sich selbst und das Umfeld, dankbar für das Sein. Wir werden die Steine der Vergangenheit und Zukunft nicht vom Weg werfen können, aber wir können die Betrachtungsweise der Steine verändern und die Art, wie wir über die Steine steigen. Nehmen wir die Steine der Vergangenheit wie eine Last in einem Rucksack mit uns mit oder entscheiden wir uns dafür, diese einfach auf der Strecke zu lassen? Um einen guten Bekannten zu zitieren: "Alles nur Kopfsache!" - stimmt, wenn es nur immer so einfach wäre. Wahre Stärke liegt eben auch darin, Schwäche zeigen zu können. 


Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch