80 Jahre D-Day - schon ganz schön viel vergessen!

06.06.1944 - ein trüber Morgen, eine raue See. Langsam fahren die vollbesetzten Landungsboote Richtung Strand. Zitternd vor Angst stehen die Wehrmachtsoldaten in ihren Bunkern und schauen der Invasion entgegen - zitternd sitzen die jungen Soldaten aus den Staaten, aus Großbritannien und weiteren Nationen in den schwankenden Booten. Jedem ist in dem Moment bewusst, dass sein Leben am seidenen Faden hängt. Die Waffen werden durchgeladen, die Fregatten beginnen mit ihren Bordkanonen die Küste zu beschießen, Haubitzen der Deutschen schießen zurück. Fallschirmspringer fliegen hinter der Küste ins Ungewisse. Die ersten Landungsboote stranden und öffnen die Luken. In den Bunkern beginnen die Maschinengewehre auf die Gestrandeten zu schießen - das Wasser färbt sich rot. Tausende Menschen sterben innerhalb weniger Stunden, der Auftakt des Endes ist getan. Die "Operation Overlord" hat funktioniert, wenn auch mit sehr großen Verlusten. 

 

Heute liegen noch immer die Landungsbrücken der Invasion von 1944 an den Stränden der Normandie und es liegt hier etwas in der Luft, was einen zum Nachdenken bringt. Zum Nachdenken, für wen all die Menschen gestorben sind. Rückblickend ist der D-Day der Grundstein für unsere heutige Freiheit und das Verständnis einer europäischen Einheit. 

 

Umso bedenklicher sind rechte Parolen, die immer mehr in unsere Gesellschaft einziehen. Es sind Wahlen, die klare, rechte Zeichen setzen. Jugendliche, die mit Aperol Spritz in der Hand "Deutschland den Deutschen" singen, wo ihre Großeltern den zweiten Weltkrieg nur durch äußerst glückliche Umstände überlebten. Da ist die Grundschullehrerin, die Menschen mit Fluchterfahrung nicht zutraut als Schülerlotsen arbeiten zu können, weil "bei denen weiß man ja nie, wie die das machen! Denen will ich nicht die Kinder anvertrauen!". (Als ob wir katholische Bayern nicht ganz andere, dunkle Kapitel mit Kirche und Kindern haben)

 

Haben wir denn alles vergessen, was vor 80 Jahren war?  

Heute erinnern viele Soldatenfriedhöfe, Gedenktafeln und zurückgelassene Bunkeranlagen an die blutigen Schlachten und an die sinnlose Tötung von Millionen Menschen. Mit dem Verlust der letzten Zeitzeugen rücken die Erinnerungen an all diese Vorkommnisse ein Stück weiter weg. Da können auch niedergelegte Blumenkränze, Fahnen und Banner nichts daran ändern. Die einzigen, die daran etwas ändern können, sind wir selbst, in dem wir zusammen halten und als Demokraten darauf bestehen, mitbestimmen zu können. Es war kein leichter Weg, zur Demokratie und es kostet Energie, diese zu erhalten, aber da ich kein Fan von braunem oder rotem Einheitsbrei bin, werde ich mich auch weiterhin für die Demokratie stark machen.  

Um euch das Erinnern ein bisschen "leichter" zu machen, habe ich zwei Bilder meines Opas eingefügt - einmal vor seinem Kriegseinsatz und eine Aufnahme nach seiner zweiten Verwundung. Was er auf den Kriegsschauplätzen erlebt und gesehen hat, lässt sich nur schwer vorstellen - die Bilder sprechen für sich. Eine ganze Nation war geblendet von einer Propagandamaschine, die ihr eigenes Volk für die Überzeugung opferte. Wenn mein Opa erzählte von den 12.000 Toten, die innerhalb einer Nacht im Oderdurchbruch starben oder von den Granaten, die ihn nur knapp verfehlten und seine Freunde zerrissen, von seinem zweiten Lazarettaufenthalt, bei dem er schon zu den Toten geschoben wurde und von den Scharfschützen, die an jeder Ecke lauerten, kam mir nicht selten eine Träne ins Auge und Gänsehaut. Es hörte sich alles sehr abenteuerlich an, doch das Schlimme ist: Es ist echt passiert. 


Opa Karl Haimerl, geb. 1923

Eingezogen mit 18 Jahren zur Wehrmacht, als Kraftfahrer europaweit an den Fronten

Vor Kriegseinsatz 1942

Nach der 2. Verwundung 1944



Eine ältere Wolnzacherin meinte 2016 während der Flüchtlingskrise zu mir: "Jetzt kommen die ganzen Asylanten und wollen unseren über Jahrzehnte aufgebauten Wohlstand kaputt machen". Ja, die Welt hat im Allgemeinen ein großes Problem mit dem Menschen als solchen. Doch sollte und muss man sich auch mal Fragen, auf welchen Schultern wurde und wird unser Wohlstand aufgebaut? Vielleicht zu Lasten der Umwelt und anderen Menschen aus anderen Teilen der Erde? Speziell am D-Day sollte uns allen bewusst werden, dass Frieden nicht selbstverständlich ist und sich dafür Stark machen, dass die Welt es schafft, friedlich, freiheitlich und gemeinsam zusammen zu leben. Leben und leben lassen, einfach mal Respekt vor anderen zu haben, wäre doch ein erster Schritt  - warum ist dieser so schwer? Ich sende jedem Leser und jeder Leserin eine digitale Umarmung und wünsche euch weiterhin eine friedliche Zeit. Geht zu den Wahlen und wählt mit Verstand.

 

Danke für´s Lesen, euer Simon 

Die Bilder wurden am 06.06.2023 am Jahrestag von mir in der Normandie aufgenommen. Copyright Simon Westermair.