Als ich Jesus traf
Neulich ging ich die Via Portuense in Rom Richtung Innenstadt und ich sah Unterkünfte, die ich bislang nur aus Besuchen unterschiedlicher Drittländer kannte. Während von den Kanzeln der mit Gold bedeckten Kirchen das Thema Nächstenliebe gepredigt wird, endet diese womöglich schon an der Kirchentür. Zwischen Müll und Morast stolperte ich am Straßenrand über Jesus, mitten im Dreck.
Hätte er sprechen können, hätte er wohl auf meine Frage: "Was machst du denn hier?" - "Hm, da immer weniger in die Kirchen gehen, muss ich wieder mehr zu den Leuten kommen" geantwortet. Ich hab ihn einfach aufgehoben und mitgenommen, schließlich läuft dir ja nicht täglich Jesus über den Weg. Die Begegnung brachte mich allerdings auch ein bisschen zum Nachdenken. War der Bursche aus dem Morgenland nicht auch ein "Flüchtling"? Verstoßen von der Gesellschaft, gehasst von Massen und ans Kreuz genagelt. Heute hängt er als weißer Erlöser in den Heimen und Klassenzimmern, verehrt als Messias, kaum einer denkt beim Anblick des Kruzifix an den Migrationshintergrund Jesu. Alles gut, wenn die unbesetzte Priesterstelle von einem Inder besetzt wird, aber kämen weitere Flüchtlinge in den Ort, so fürchtet man plötzlich die Übervölkerung und gründet Organisationen wie PEGIDA oder die AFD.
2020 wird ein bewegendes Jahr. In vielen Kommunen finden Kommunalwahlen statt. Genau hier habt ihr direkt die Möglichkeit, Weichen zu stellen, RECHTS keine Chance zu geben. Ich liebe meine Freunde und die meisten davon haben irgendeinen Migrationshintergrund. Selbst ich kann nicht genau sagen, woher vor zehn Generationen meine Vorfahren kamen. Wenn ich die Farbmischung meines Bartes betrachte, ist da so einiges dabei. Was ich damit sagen möchte ist, dass es schon immer Völkerwanderungen gab, also macht die Scheuklappen an euren Augen ein bisschen lockerer und realisiert, dass unsere Wirtschaft ohne dem Phänomen des Zuzugs niemals funktionieren würde.
Unsere Wirtschaft ist allerdings auch Teil des Problems. Vieles was wir verurteilen, exportieren wir einfach in andere Länder oder Gegenden. Auf der einen Seite fordern wir mehr Wind- und Solarenergie, haben aber was dagegen, wenn wir die Anlagen bei uns aufstellen - es deformiert das schöne Aussehen unserer Natur. Ich frage euch mal so: Verunstaltet der Klimawandel nicht auch unsere Umwelt? Da knall ich mir doch lieber Solarpanelen aufs Dach, bevor ich in der Wüste wohne. Leider sinkt die Förderung für erneuerbare Energien stetig, was wiederum dazu führt, dass wir durch unsere Regierung an fossilen Brennstoffen festhalten. Man wird auf der einen Seite bestraft, wenn man CO2 erzeugt, jedoch auch nicht gefördert, wenn man etwas für die Nachhaltigkeit tut. Wir schalten Atomreaktoren ab, um uns den Atomstrom aus Frankreich hinzuzukaufen. Wir halten an 20.000 Arbeitsplätzen im Braunkohleabbau fest, anstatt den Leuten in der Region durch sinnvolle Förderung anständige Zukunftsperspektiven zu verschaffen. Wir exportieren unseren Müll und menschenunwürdige Arbeiten in ferne Länder und wundern uns dann, wenn die Einwohner der Länder, die wir durch unser Tun und Handeln direkt zerstört haben, plötzlich vor unserer Haustür stehen. Wir schließen Verträge mit Firmen ab, obwohl wir schon vor dem bekannt werden von richterlichen Entscheidungen wissen, dass neue Gesetze nicht funktionieren werden - und müssen dennoch keine Folgen für unsere Person fürchten. Das sind nicht irgendwelche Personen, sondern das sind wir, die am Wahlzettel das Kreuz machen. Du und ich können entscheiden, ob wir weiter machen wollen, wie es die letzten 70 Jahre lief.
Wir werden uns die Frage stellen müssen, wie viel wir brauchen, um glücklich zu sein. Wir können nicht auf der einen Seite gegen Massentierhaltung sein, während wir im selben Moment die Tür zur nächsten Fast-Food-Bude öffnen. Oder gegen die ungerechte Verteilung von Nahrungsmittel klagen und gleichzeitig den Knopf der Nespresso-Maschine tätigen.
Halten wir doch einfach wieder ein bisschen mehr zusammen, dann geht´s uns allen gut! Es wäre schön, wenn wir unseren Planeten wieder mehr schätzen und uns bewusst werden, dass es diesen nur ein einziges mal gibt. Was würde es uns helfen, wenn wir mit unseren Raumsonden eine zweite Erde entdecken? Würden wir dort anders haushalten mit den gegebenen Ressourcen? Ich kann´s mir nicht vorstellen! In diesem Sinne, frohe Weihnachten.