Wo geht´s hin mit dir Europa?

Europa und die Europäische Union sind für mich so selbstverständlich geworden wie der Gang auf die morgendliche Toilette und einer funktionierenden Klospülung. Da beides nicht selbstverständlich ist, doch kaum den Stellenwert findet wie ein neues Smartphone, habe ich mir erlaubt, ein paar Zeilen über meine Heimat Europa zu schreiben.

 

Ich kann mich noch gut an das stundenlange Warten an den Grenzen erinnern, wenn es vor 20 Jahren gen Süden ging. In unserem Auto fühlte es sich an Reisetagen vor dem Grenzposten nicht selten an, als wäre man eingepfercht in einer Sardinendose, auf die ein Lausbub mit einer Lupe den Sonnenstrahl bündelt, bis diese den Siedepunkt erreicht und im besten Fall platzt. Während meine Schwester meist die Geduld hatte, trockene Bücher zu durchforsten und mein kleiner Bruder bereits in jungen Jahren besessen war von Lexika, war ich die Sardine in der Dose, die kochend Krawall machte und den Rest im Fahrzeug terrorisierte. Beim Passieren des Grenzpostens hieß es dann: "So, jetzt ruhig sitzen und freundlich schauen - oder ihr verbringt eure Ferien am Grenzposten!" Gesagt - Getan! Mit angestrengten Mienen saßen wir fest eingepresst in die Hartschalensitze, zogen das breiteste Grinsen über unsere Gesichter und kamen uns vor wie die größten Ganoven, die eben eine Bank ausraubten und nun duch eine Polizeikontrolle fuhren. Angekommen im Urlaubsland waren wir unglaublich froh, die Strapazen der Grenzen überstanden zu haben - naja, noch nicht ganz. Hat man sich an der Mautstelle versehentlich falsch eingeordnet und war genau an dem Mauthäusl gelandet, welches leider keine D-Mark annahm, so war man dem Untergang geweiht, den tödlichen Blicken der  hinter sich stehenden Autoschlange ausgeliefert, gesteinigt von Schimpfwörtern in sämtlichen Sprachen. Ich habe noch immer einen großen Respekt, welcher Tortur sich meine Eltern damals unterzogen!

 

Warum erzähle ich euch solch belanglose Geschichte? Weil es für uns zum Standard geworden ist, ohne diese Kontrollen und Wartezeiten an den Grenzen reisen zu können. Kein Geld wechseln zu müssen, wenn ich am Plaza de Major in Madrid eine Paella kaufe. Täglich genieße ich all die Vorzüge eines gemeinsamen Europas und verfolge seit den letzten beiden Jahren mit Schrecken in den Nachrichten und Zeitungen, wie töricht unsere Gemeinschaft mit diesem durch Jahrzehnte aufgebautem Gut umgeht. 

 

Die beste Lösung für die Briten wäre, erneut ein Votum zu machen, in dem Sie nun doch für die Staatengemeinschaft stimmen. Auch wenn viele Stimmen schreien, sie hätten ihre Chance gehabt und sollen nun mit den Konsequenzen leben. Wäre es nicht für die Gemeinschaft fatal, nur wegen des Stolzes den Briten die Chance zu verwehren? 

 

Die Folgen wären für alle gravierend und ein herber Rückschritt für all das, was die letzten drei Generationen unserer Vorfahren mit sehr viel Arbeit, Engagement und Diplomatie aufgebaut haben.

 

Ich bin Stolz, Europäer zu sein!